Stromnetzunabhängige Schnellladestationen für die Elektromobilität – Ein Interview mit Alexander Sohl

Copyright aller Fotos: me energy

Hallo Alexander, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei me energy kurz vor:

Ich bin Alex, Gründer und Geschäftsführer von me energy. Wir von me energy versuchen unseren Teil zur Dekarbonisierung und dem Umstieg auf die Elektromobilität beizutragen. Wir tun dies mit stromnetzunabhängigen Schnellladestationen, die ihren eigenen Strom erzeugen. So muss in Zukunft niemand mehr Reichweitenangst haben oder ein Flottenmanager um die Einsatzbereitschaft seiner Fahrzeuge bangen.

Vielleicht möchtest Du uns Euer Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen?

Als erster Anbieter und Betreiber von stromnetzunabhängigen und CO2-neutralen Schnellladestationen ermöglichen wir den einfachen Umstieg auf die Elektromobilität, überall und jederzeit.

Das funktioniert, weil unsere Rapid Charger keinen Anschluss an das Stromnetz benötigen. Sie produzieren ihren eigenen Strom aus Agrar-Reststoffen, die in Form von Bioethanol in der Anlage gespeichert sind. So existieren keinerlei Anforderungen an den Standort und die Station kann Elektrofahrzeuge an jedem gewünschten Ort laden.

Welches Problem wollt Ihr mit me energy lösen?

Der Rapid Charger wird immer dort gebraucht, wo das Stromnetz nicht in der Lage ist, Fahrzeuge schnell zu laden oder die Ausbaukosten einfach zu hoch sind. Das sehen wir oft beim ÖPNV, bei Unternehmen, die ihre Flotten umstellen wollen und bei öffentlichen Einrichtungen. Egal ob an der Autobahn, in der Stadt oder auf dem Land, unsere Lösung kommt überall zum Einsatz. Denn besonders die Strom-Verteilernetze arbeiten am Limit und oft fehlen die Netzkapazitäten, die zum schnellen Laden eines Teslas benötigt werden – das entspricht in etwa dem Verbrauch von 50 bis 70 Haushalten. Es gibt aber auch praktische Probleme: Mieter von Standorten haben oft nicht die Möglichkeit, selbst in den Ausbau der Infrastruktur zu investieren. Hier kann nun eine mobile Lösung wie unsere, ohne notwendige Bauarbeiten oder Investitionen gewählt werden.

Wie ist die Idee zu me energy entstanden?

2015 machte ich meine erste Langstreckenfahrt mit einem Elektroauto. Damals gab es kaum Ladestationen, geschweige denn Schnellladestationen. Als ich bei meinem geplanten Ladestopp ankam, war die Ladestation außer Betrieb. Ich musste eine Alternative finden und fragte die Anwohner, ob ich an ihrer Haussteckdose laden könnte. Während der darauffolgenden 8 Stunden Ladezeit hatte ich genügend Zeit, darüber nachzudenken, warum Ladestationen oft nicht verfügbar sind und welche Probleme es beim Ausbau der Infrastruktur gibt. Die Quintessenz: Das Stromnetz ist oft nicht in der Lage, die großen Strommengen zu liefern, die für schnelles Laden benötigt werden.

Wie würdest Du Deiner Großmutter me energy erklären?

Stell dir vor, das Stromnetz in Deutschland ist wie die Warmwasserleitungen in einem Haus. Wenn alle gleichzeitig, in der Küche und in den Bädern warmes Wasser wollen, dann kommt es nur noch lauwarm oder kalt aus der Leitung. Das passiert auch in unserem Stromnetz, wenn viele Menschen gleichzeitig schnell ihre Autos laden wollen. Wir von me energy bringen einfach einen zusätzlichen Warmwasserbereiter, oder in unserem Fall eine Stromerzeugung vor Ort, um allen Menschen ausreichend Strom zu geben.

Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert?

Unser Konzept hat sich an die Kundenanforderungen angepasst. Zunächst lag der Fokus auf öffentlichen Stationen, bis wir herausfanden, dass zum einen deutlich mehr private Ladestationen gebaut werden, als öffentliche und dass auch der Business Case für das öffentliche Laden noch nicht funktioniert. Daher setzen wir nun vor allem auf Flottenkunden und hier haben wir besonders im Nutzfahrzeugbereich einen sehr stark wachsenden Bedarf.

Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell?

Wir sind ein Problemlöser für das Thema Laden. Wir bieten also einen Komplettservice an für den Kunden, von der Hardware, über die Energiebelieferung, bis hin zur Abrechnung und Wartung. Besonders dabei ist, dass unsere Stationen nicht gekauft werden müssen, sondern wir auch Miet- oder Pay-Per-Use Modelle anbieten können. So lösen wir das Problem der Finanzierung beim Kunden gleich mit.

Wie genau hat sich me energy seit der Gründung entwickelt?

Es hat sich wahnsinnig viel getan, seitdem wir mit einem Konzept und Pitch angefangen haben. Wir sind nach der ersten Finanzierung in einer leeren Halle gestartet. Heute sind wir in 2 Hallen, werden dieses Jahr in 4 europäischen Ländern aktiv sein und helfen Kunden wie TotalEnergies, der Deutschen Bahn oder dem Zoll bei der Elektrifizierung der Flotte.

Wie groß ist Euer Startup inzwischen?

Unser Team besteht aktuell aus 34 Mitabreitenden, die täglich daran arbeiten, flexible Ladelösungen für unsere Partner:innen und Kunden:innen zu schaffen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?

Die Liste ist lang. Wir kühren jedes Jahr auf der Weihnachtsfeier den Fail des Jahres. Eine kleine Auswahl umfasst: Ein Beinbruch eines Mechanikers bei der feierlichen Eröffnung einer Anlage, das Verschenken von Ladestrom für 4 Wochen, weil ein falscher Tarif hinterlegt war und Bauteile, die in einem vom Zoll verplombten Fahrzeug von Berlin nach Frankfurt (Main) gefahren werden mussten, um sie dort zu verzollen.

Was habt Ihr daraus gelernt?

Mit etwas Abstand kann man über fast alles lachen. Aber natürlich ist man mit einer jungen Mannschaft oft naiv und stößt bei der deutschen Bürokratie schnell an Grenzen. Daher braucht es doch mehr Prozesse und Dokumentation, als man jemals für möglich gehalten hat. Langfristig zahlt sich das aber aus.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?

Beim Thema Product-Market-Fit haben wir den Nagel auf den Kopf getroffen. Es braucht, besonders beim Thema Nutzfahrzeuge, immer mehr Schnellladestationen, die das Stromnetz einfach nicht verträgt.

Wie ist Euer Startup finanziert?

Wir haben eine gesunde Mischung aus Eigenkapital von Risikokapitalgebern (VCs und Business Angels), Fördermittel u.a. durch die ILB und inzwischen auch erste Fremdkapitallinien. Das wurde uns durch die Bürgschaftsbank Brandenburg, die Volksbank, die Deutsche Bank und die PSD Bank ermöglicht.

Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate?

Internationalisierung! Nach unserem Heimatmarkt Deutschland sind wir seit letztem Jahr in Polen und expandieren nun nach Frankreich und Spanien. Auch dort warten noch viele spannende Herausforderungen auf die Elektrifizierung und auch auf uns.

Vielen Dank für das Interview.

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